Prof. Markus Hartenbach (MH): Hallo und willkommen bei Minute Medical. Mein Name ist Markus Hartenbach und heute haben wir einen besonderen Gast hier, der bereit ist, ein Interview zu geben: Professor Dr. Alexander Von Gabain – renommierter Mikrobiologe, Gründer, Unternehmer und vieles mehr. Wir schätzen es sehr, dass er sich heute für dieses Interview Zeit nimmt. Hallo, Alexander.
A.G.: Hallo, Markus. Ich freue mich auf dieses Interview, und es ist mir eine Freude, dich mit dem zu unterstützen, was ich im Laufe meiner Krankheit und ihrer Behandlungen gelernt habe.
MH: Ja, wir wissen das wirklich sehr zu schätzen, Alexander. Du bist heute nicht in deiner Rolle als analytischer Wissenschaftler hier. Du bist vielmehr hier, weil du vor vier Jahren – ziemlich genau vor vier Jahren – mit einer Diagnose konfrontiert wurdest. Vielleicht kannst du ein wenig darüber erzählen, worum es dabei ging und was die ersten Schritte waren.
A.G.: Nun, bei mir wurde tatsächlich vor vier Jahren ein fortgeschrittener Prostatakrebs diagnostiziert – mit Metastasen in den Knochen und in mehreren Lymphknoten. Und als Molekularbiologe, der selbst in der Onkologie gearbeitet hat, war mir sofort klar, dass das mein Leben völlig auf den Kopf stellen würde. Es ist eine schockierende Erfahrung, und am Anfang hat man Todesangst. Deshalb stützt man sich auf Kolleginnen und Kollegen, die etabliert und renommiert sind. Ich muss sagen, dass ich in einem Universitätsklinikum eine gute Behandlung bekommen habe. Das Dilemma war allerdings, dass die Ärzte – vielleicht auch, weil ich selbst aus dem Fach komme – eher dazu neigten, mir die Standardtherapien zu verabreichen. Die Standardtherapie besteht natürlich in der Unterdrückung des Testosterons – von unseren Kolleginnen und Kollegen gerne als Kastration bezeichnet, sei es chemisch oder tatsächlich physisch –, manchmal auch in Kombination oder in Abfolge mit einer Chemotherapie.
Ich habe all das durchgemacht, und es gab gewisse Erfolge. Aber ehrlich gesagt konnte man in meinem Körper noch immer Ausbreitungen des ursprünglichen Tumors sehen, und auch der Ursprungstumor war noch in der Prostata vorhanden. Das war eine ziemliche Lernkurve. Und ich muss sagen: Was ich aus dieser Kurve gelernt habe, ist, dass die Standardtherapie wichtig und gut ist. Aber sobald man wieder durchatmet und erkennt: Das ist mein Krebs und es ist mein Leben, muss man sich umsehen, was es sonst noch für Möglichkeiten gibt. Ich hatte das Glück – teils durch Zufall, teils durch gezieltes Nachfragen im Kollegenkreis und bei Freunden –, zu erfahren, dass bereits Behandlungen der nächsten Generation in Entwicklung sind oder schon zur Verfügung stehen. Und ich betrachte das Ganze natürlich immer mit den Augen eines Molekularbiologen. Die Chemotherapie und Hormonunterdrückung, die ich durchlaufen habe, waren für mich ganz klar noch Medizin des 20. Jahrhunderts – aber nicht des 21. Jahrhunderts. Warum? Nun, sie treffen den Tumor zwar, aber sie sind weit davon entfernt, wirklich spezifisch zu sein.
Nehmen wir die Chemotherapie. Natürlich blockiert sie die meisten schnell wachsenden Zellen, also wirkt sie auch gegen den Krebs. Aber sie hat zum Teil sehr starke Nebenwirkungen auf anderes Gewebe im Körper, das ebenfalls auf sich teilende Zellen angewiesen ist.
Die Hormonunterdrückung an sich ist in Ordnung, aber ich finde, sie ist nicht spezifisch. Sie entzieht dem Körper auch das Testosteron für andere Funktionen, bei denen es für die natürliche Körperfunktion eigentlich gebraucht wird.
Diese Lernkurve war im Grunde der Ausgangspunkt, um nach anderen Therapien zu suchen. Und interessant ist – und das ist vielleicht ein Vorteil beim Prostatakrebs – dass es dafür die spezifischste diagnostische Methode gibt, um Tumore oder Metastasen im Körper zu entdecken. Diese Methode basiert auf einem spezifischen Molekül, das an eine Oberflächenstruktur von Prostatakrebszellen bindet. Und wenn man dieses Molekül zum Beispiel mit einem Radiolabel versieht, kann man genau feststellen, wo sich im Körper noch Tumorzellen oder Metastasen befinden. Während ich dieses Verfahren mehrmals durchlaufen habe und gesehen habe, dass einige der bisherigen Behandlungen durchaus eine Verbesserung meiner Lage gebracht haben, dachte ich: Mensch, wenn dieses Verfahren so spezifisch ist, um einzelne verbleibende Krebszellen zu entdecken – dann muss es doch auch eine Therapie geben, die auf genau dieser Spezifität basiert.
Und genau da bin ich auf Markus gestoßen – es war eigentlich kein Zufall. Ich hatte über viele Quellen von ihm gehört. Markus hat mir dann erklärt, dass die Wissenschaft nicht stillsteht, und sie haben dieses Schlüsselmolekül – das an die Rezeptoren auf der Oberfläche von Prostatakrebszellen bindet – weiterentwickelt. Indem man etwas an dieses Molekül „andockt“, einen sogenannten magic bullet, kann man eine stärkere Strahlung gezielt einsetzen. Und im Vergleich zu den anderen Behandlungen, die ich durchgemacht habe, ist das wirklich sehr, sehr spezifisch. Es werden nur diejenigen Zellen zerstört, bei denen dieser Ligand an die Krebszellen bindet – und der Ligand trägt im „Rucksack“ das Radioisotop, das die Krebszellen gezielt zerstört.
Das ist im Grunde die Geschichte, die ich kurz erzählen wollte – aber jetzt sollten wir nicht allzu sehr in die Tiefe gehen.